Unsere Verabredungen waren von Anfang an immer nur mit Kalendern und ordentlichem Vorlauf planbar. Spontane Treffen – ich weiß gar nicht, ob es die in den fast 30 Jahren unserer Freundschaft gegeben hat. Wir hatten uns zuletzt Anfang des Jahres ausgetauscht. Ich wusste von ihrer Krankheit – doch ihr Tod Anfang August 2024 hat mich völlig überrascht.
Wir hatten uns auf einem Soziologiekongress kennengelernt. Ihr späterer Ehemann Heine von Alemann war damals noch Redakteur der Zeitschrift „Sozialwissenschaften und Berufspraxis“, die seinerzeit im Verlag meines Vaters erschien; ich war Lektorin in genau jenem Hause Leske + Budrich. Und so ergab es sich, dass wir in einem Restaurant zufällig gemeinsam an einem Tisch saßen und ins Gespräch kamen. Und wer Annette kannte, weiß, wie leicht das war.
Vielfältig interessiert, eine der klügsten Gesprächspartnerinnen, die mir je begegnet sind, offen und aufgeschlossen mit ihrem charakteristischen Lachen – ich erinnere mich nicht mehr genau, aber von Fahrradtouren und Wanderungen über spanischsprachige Filme (die wir nur in Programmkinos schauen konnten), von sozialer Ungleichheit bis zu Gender Studies fanden wir sofort gemeinsame Themen und Anlässe für weitere Treffen. Und diese begleiteten uns über die nächsten Jahrzehnte. Quasi jährlich verschoben wir gemeinsame Wanderpläne.
Wann immer ich es schaffte, ihrer Geburtstagseinladung zu folgen – unser jährlicher jour fixe über lange Zeit –, lernte ich neue, spannende Leute kennen. Familie, natürlich, und Freundinnen und Freunde aus Wissenschaft, Sport, Musik und Kunst; es waren immer interessante Begegnungen mit Menschen, die meist ebenso freundlich, offen und interessiert waren wie Annette selbst.
Annette hat die Gründung meines Verlages verfolgt und unterstützt. Wir sind uns in unterschiedlich fachlich ausgerichteten Netzwerken immer wieder begegnet und haben immer wieder abgeprüft, wo es Möglichkeiten der Zusammenarbeit, der gegenseitigen Unterstützung gab. Natürlich veröffentlichte sie auch im Verlag Barbara Budrich und erwies uns die Ehre, unserem wissenschaftlichen Beirat beizutreten. Nicht ohne ihre eigenen Mitarbeiter*innen als Early Career-Mitglieder vorzuschlagen.
Als sie 2022 endlich ihre ordentliche Professur antreten konnte, als Soziologin an der Universität Duisburg-Essen, habe ich mich sehr für sie gefreut! Es war ein langer Weg, bis sie dieses Ziel erreicht hatte. Sie hat zielstrebig darauf hingearbeitet – und gewusst, dass es keine Garantie dafür gibt, dass diese harte Arbeit sich in Form einer Professur auszahlt.
Die Annahme eines Rufes kennzeichnet einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der eigenen Wissenschaftskarriere. Und Prof. Dr. phil. Annette von Alemann hatte noch sehr, sehr viel vor. Ich hätte es ihr so sehr gegönnt. Und auch für die Zukunft sehr gern mit ihr abgeglichen, wo es Möglichkeiten für Gemeinsames gibt. Und die gemeinsamen Wanderpläne sind für immer verschoben.
Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie und allen, die ihr nahestanden.
© Titelbild: pexels.com | Daniel Frank ; Foto Annette von Alemann: privat