„Es gibt zu wenige berufliche Arbeitsfelder, die das Einbringen des Fachwissens aus einer anderen Fachwelt ermöglichen.“ – 5 Fragen an Franziska König

Im Verlag Barbara Budrich ist erschienen:

Berufliches Crossover zwischen ökonomischer und soziokultureller Fachwelt. Eine biografieanalytische Untersuchung

von Franziska König

 

Über das Buch

Der Wechsel in eine andere berufliche Fachwelt stellt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Welche individuellen Voraussetzungen müssen erfüllt und welche institutionellen Rahmenbedingungen sollten gegeben sein, damit ein erfolgreiches berufliches Crossover gelingt? Die Studie von Franziska König zeigt, dass das Crossover zwischen den Fachwelten ein gesamtbiografischer Prozess ist, der sich in den Biografien der Befragten nicht erst im Berufsleben abzeichnet. Erfolgreiche Fachweltwechsel werden von den hybriden Kompetenzen des Einzelnen bedingt und nur selten durch institutionelle und soziale Unterstützungsangebote begleitet.

 

Kurzvita in eigenen Worten

König, Franziska

Franziska König studierte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und an der University of Bangor (Wales/GB) Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Nach ihrem Magisterstudium arbeitete sie u. a. an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), wo sie zu Mobilität von Bewohner*innen in Altenheimen forschte, sowie im Rahmen eines weiteren Projektes Bewohner*innen eines Braunkohletagebaugebietes in der Lausitz bezüglich psychischer Belastungen aufgrund anstehender Umsiedlung befragte. Sie studierte außerdem Public Health an der Charité in Berlin und promovierte im Fach Soziologie an der Universität in Magdeburg. Neben ihrer Forschungstätigkeit kann Franziska König auf mehrjährige Lehrerfahrung an der Hamburger Fernhochschule sowie als Dozentin in der Erwachsenenbildung im Sozialwesen zurückgreifen. Seit 2019 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) beschäftigt. Dort forscht sie derzeit zu anwendbaren Strategien, soziale Gesundheit in der aktuellen Pandemiesituation zu erhalten.

 

1) Liebe Franziska König, bitte fassen Sie den Inhalt Ihrer aktuellen Publikation Berufliches Crossover zwischen ökonomischer und soziokultureller Fachwelt für unsere Leser*innen zusammen.

In meinem Buch beschäftige ich mich mit einer Herausforderung, mit der viele Berufstätige konfrontiert werden. Ganz selbstverständlich wird von ihnen verlangt, dass sie sich in neue Arbeitsfelder erfolgreich einarbeiten ohne, dass diese mit ihrem eigentlichen Studium oder ihrer Ausbildung zu tun haben. In meinem Buch habe ich explizit Hochschulabsolvent*innen befragt, die nach ihrem sozial- oder geisteswissenschaftlichen Studium einen beruflichen Wechsel in ein Arbeitsfeld vorgenommen haben, das eigentlich von Ökonom*innen besetzt wird. Umgekehrt habe ich Absolvent*innen der Wirtschaftswissenschaften befragt, die jetzt in sozialen Arbeitsfeldern tätig sind.

Dieses berufliche Crossover zwischen der ökonomischen und soziokulturellen Fachwelt, das heute zwar als schon fast als selbstverständlich von Hochschulabsolvent*innen durch Arbeitgeber*innen vorausgesetzt wird, erweist sich jedoch als Aufgabe, mit der sich die ehemaligen Studierenden nicht erst nach dem Studium konfrontiert sehen. Es zeigte sich, dass die Hochschulabsolvent*innen nicht durch Einrichtungen, wie Aus- und Weiterbildungsinstitutionen oder durch Kolleg*innen und Vorgesetzte begleitet werden. Vielmehr erwies sich das Crossover zwischen den Fachwelten als ein Prozess, der schon früh in der Biografie beginnt, durch Eltern und Großeltern angeregt wird, und im bzw. nach dem Studium in Eigenleistung weitergeführt wird. In meinem Buch geht es darum, wie der Wechsel zwischen den Berufswelten trotzdem erfolgreich möglich ist.

 

2) Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Dem Buch geht ein Forschungsprojekt voraus, das ich im Rahmen meines Studiums an der Universität Magdeburg durchgeführt habe. Dort befragte ich Absolvent*innen zu ihren ersten Berufserfahrungen nach ihrem Studium. Obwohl berufliche Veränderungen in dieser Studie nicht im Fokus standen, berichteten mir die ehemaligen Studierenden von den Herausforderungen und Notwendigkeiten des beruflichen Crossovers. Daraus erwuchs mein Interesse, eine Studie nur zu diesem Thema durchzuführen. In meinem Vorhaben bestärkt wurde ich während meiner eigenen beruflichen Tätigkeit durch Leitungskräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die mir von ihren Schwierigkeiten berichteten, als leitende Pflegekraft den Herausforderungen der ökonomischen Berufswelt zu entsprechen. Und last but not least habe ich selbst nach meinem Studium der Soziologie in meiner beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen als auch durch mein Public Health-Studium Crossover-Erfahrungen sammeln dürfen.

 

3) Welche sind die größten Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen beruflichen Crossover?

Es gibt zu wenig berufliche Arbeitsfelder, die das Einbringen des Fachwissens und der Arbeitsweisen aus einer anderen Fachwelt ermöglichen oder sogar fördern. Es liegt dann an den Arbeitnehmer*innen beispielsweise Projekte zu entwickeln, in denen die Inhalte der alten Fachwelt Anwendung finden können. Es wäre wichtig, dass das Einbringen des Wissens aus der alten Fachwelt nicht nur von Arbeitgeber*innen als selbstverständlich vorausgesetzt wird, sondern, dass die Crossover-Personen in der neuen Fachwelt auch die Möglichkeit zur Anwendung des fachübergreifenden Wissens bekommen und Anerkennung für die von ihnen eingebrachten Fähigkeiten erhalten.

 

4) Welche individuellen Voraussetzungen müssen erfüllt und welche institutionellen Rahmenbedingungen sollten gegeben sein, damit das berufliche Crossover gelingt?

Die Fähigkeit der Crossover-Personen zum Positions- und Perspektivenwechsel liegt bereits im familiären Herkunftsmilieu begründet. Durch die Zugehörigkeit der Eltern bzw. Großeltern zu beiden Fachwelten setzen sich die Crossover-Personen bereits in ihrer Kindheit mit Fragestellungen auseinander, die in der sozioökonomischen und in der soziokulturellen Fachwelt begründet sind. In der eigenen Berufswelt greifen die Crossover-Personen auf vorhandenes fachspezifisches Wissen aus beiden Fachwelten zurück. Angepasst an die beruflichen Aufgaben und Erwartungen der jeweiligen Fachwelt wenden sie Arbeitsmethoden fachweltspezifisch an oder verweisen auf ihr fachübergreifendes Wissen.

Die neue Fachwelt betreten die Crossover-Personen oft als Assistent*innen (z. B. der Geschäftsleitung) und überzeugen zunächst mit Fähigkeiten wie hohe Flexibilität, um sich zügig in neue Arbeitsbereiche einarbeiten zu können, sowie durch eine hohe Interaktionskompetenz. Aufgrund ihrer Erfahrungen in beiden Fachwelten können sie Wissen zu institutionellen Abläufen, Kommunikationsformen und Arbeitsmethoden fachweltübergreifend anwenden. Dieses setzen sie vermittelnd ein, um z. B. die Kommunikation zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten zu fördern oder Konflikte im Team frühzeitig zu erkennen.

Neben individuellen Voraussetzungen erweisen sich auch bestimmte so­ziale und institutionelle Rahmenbedingungen als besonders förderlich für das berufliche Crossover. Dazu gehört die Möglichkeit, projektorientiert zu arbeiten sowie Aus- und Weiterbildungsangebote in der neuen Fachwelt. Insbesondere Traineeprogramme erweisen sich als geeigneter institutioneller Rahmen für berufliche Crossover. Fachweltenwechsel innerhalb eines Traineeprogramms erfolgen zunächst mit dem Ziel der fachlichen Orientierung und des temporär begrenzten beruflichen Probehandelns über die eigenen Fachgrenzen hinaus. Das Traineeprogramm ist jedoch auch eine Institution, die eine fachliche Integration und ein Verbleiben in der neuen Fachwelt ermöglicht. Traineeprogramme können somit eine Alternative zu traditionell zuständigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstitutionen in der Fachwelt darstellen. Zusätzlich wird der Übergang von einer in eine andere Fachwelt durch Wissensträger erleichtert. Unter Verwendung der Wissensträger kann an den Grenzen der Fachwelten Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit durch die Crossover-Personen erbracht werden. Wissensträger sind u. a. Arbeits­konzepte oder Projektideen, die in der alten Fachwelt ausformuliert und bereits erprobt wurden und danach in der neuen Fachwelt Anwendung finden.

 

5) Darum bin ich Autorin bei Budrich

Ich folgte der Empfehlung von Kolleg*innen, mein Buch im Verlag Barbara Budrich zu veröffentlichen. Auch stehen bereits viele Fachbücher und die ZQF – Zeitschrift für Qualitative Forschung in meinem Bücherregal. So war es für mich fast selbstverständlich, aber auch eine Ehre, ebenfalls im Verlag Barbara Budrich zu veröffentlichen. Meine hohen Erwartungen wurden rundum erfüllt. Vivian Sper stand mir als persönliche Ansprechpartnerin in diesem doch sehr komplexen Prozess der Veröffentlichung zur Seite und beantwortete alle Fragen umgehend und immer freundlich.

 

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Qualitative Fall- und Prozessanalysen. Biographie – Interaktion – soziale Welten, Band 23

 

© Autorinnenfoto: privat

 

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