Studie zur Radikalität von Bürger*innen mit AfD-Wahlpräferenz

Ein Netzwerk aus schwarzen Linien

Verschwörungsglaube, Medienzynismus und Militanz: Einstellungen und Informationsquellen von Menschen mit AfD-Wahlpräferenz – ein Beitrag zur Radikalisierungsforschung

Tanjev Schultz, Marc Ziegele, Nikolaus Jackob, Ilka Jakobs, Oliver Quiring, Christian Schemer

ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Heft 1-2021, S. 60-89

 

Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht medienbezogene Einstellungen und das Ausmaß des Verschwörungsglaubens von Menschen mit AfD-Wahlpräferenz. Er greift die Debatte über Kampfbegriffe wie „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ auf und erweitert die Radikalisierungsforschung um einen kommunikationswissenschaftlichen Zugang. Dafür verwendet er das Konzept des „Medienzynismus“. Es bezeichnet ein Einstellungsmuster mit verschwörungsideologischen Zügen: Journalist*innen werden als Lügner und System-Kollaborateure betrachtet. Der Beitrag analysiert auch die Mediennutzung von Menschen mit AfD-Präferenz sowie ihre Einstellungen zu Gewalt. Die Basis bilden vier Bevölkerungsumfragen aus den Jahren 2016 bis 2019. Die Daten wurden in Regressionsanalysen und mit einem Strukturgleichungsmodell ausgewertet. Dabei zeigt sich die Radikalität der AfD-Gruppe: Bei ihr sind Medienzynismus und Verschwörungsglaube stark ausgeprägt. Dies geht mit einer überdurchschnittlichen Nutzung „alternativer“ Medien und einem höheren Verständnis für die Anwendung von Gewalt einher. Die Studie findet keine eindeutigen Hinweise für eine sich verschärfende Radikalisierung im Zeitverlauf, aber auch keine Abschwächung. Die Befunde stützen Befürchtungen, dass der Verschwörungsglaube mit einer Affinität zu Gewalt verbunden und die Radikalisierung durch eine spezifische Mediennutzung gefördert werden kann.

Schlüsselbegriffe: AfD, Medienzynismus, „Lügenpresse“, Radikalisierung, Mediennutzung, Verschwörungsglaube

 

Summary: The article examines the media-related attitudes of people who are likely to vote for the AfD party. It builds on the debate on terms such as „lying press“ (fake news media) and adds a media studies approach to radicalization research. It introduces the concept of „media cynicism“, which describes a pattern of attitudes that includes features of conspiracy ideologies: journalists are viewed as liars and system collaborators. The article also examines media use, conspiracy beliefs, and attitudes towards violence. Four surveys from 2016 to 2019 form the basis of the study. The data were analyzed using regression analyses and structural equation modeling. The findings illustrate the radicalism of AfD voters: They tend to show strong media cynicism and beliefs in conspiracies. This goes hand in hand with an aboveaverage use of „alternative“ media and an increased support for using violence. The study does not find clear indications of an enhanced radicalization of AfD voters over time, but also finds no signs of a slowdown. The findings support fears that beliefs in conspiracies are connected to an affinity for violence and that radicalization can be fueled by the use of specific news media channels.

Title: Conspiracy beliefs, media cynicism, and violence: Attitudes and media use of Germans with a voting preference for AfD – a media studies perspective on radicalization

Keywords: AfD, media cynicism, radicalization, media use, conspiracy theories

 

1. Einleitung

Innerhalb weniger Jahre ist die „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Parteiensystem der Bundesrepublik zu einem wichtigen Akteur herangewachsen. Nach dem Einzug in den Bundestag 2017 gelangen ihr weitere Erfolge in den Bundesländern, sodass sie schließlich in allen 16 Landesparlamenten vertreten war. Im Zuge der Corona-Krise sowie parteiinterner Auseinandersetzungen sank ihre Popularität im Jahr 2020. In den Jahren zuvor hatte sich die Partei radikalisiert (Häusler 2016a; Isemann/Walther 2019). In Wissenschaft und Öffentlichkeit wird die AfD wahlweise als rechtspopulistisch, rechtsradikal, rechtsextrem, völkischautoritär oder autoritär-nationalradikal bezeichnet (Virchow 2016; Salzborn 2018: 16–21; Heitmeyer 2018: 231–270; Häusler 2018). Wichtig ist in diesem Zusammenhang ein Einstellungsmuster, das als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bezeichnet wird (Heitmeyer 2002; Zick/Berghan/Mokros 2019). Es schließt unter anderem Rassismus, Sexismus und Islamfeindlichkeit ein. Studien zeigen, dass AfD-Sympathisant*innen Aussagen, die für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stehen, stärker zustimmen als andere Bürger*innen (Hövermann/Groß 2016; Zick/Berghan/Mokros 2019: 94 f.).

Der Aufsatz richtet den Blick nun auf weitere relevante Einstellungen, die als Merkmal und auch als Treiber von Radikalisierung betrachtet werden können: medienbezogene Einstellungen, die in Kampfbegriffen wie „Lügenpresse“ aufscheinen, sowie der Glaube an Verschwörungserzählungen. Die beiden Aspekte haben einen inneren Zusammenhang. Denn die radikale Medienkritik, die teilweise als „Medienfeindlichkeit“ (Schindler et al. 2018) und von uns in Fortsetzung früherer Arbeiten als „Medienzynismus“ bezeichnet wird, integriert Elemente von Verschwörungserzählungen, indem Journalist*innen beispielsweise unterstellt wird, lediglich als Marionetten der Mächtigen zu agieren. Geht die Radikalisierung so weit, dass die Menschen auch vor Militanz nicht zurückschrecken, kann sich die Befürwortung von Gewalt auch auf Angriffe gegen Journalist*innen erstrecken.

Solche Aspekte waren zuletzt häufiger Thema in den öffentlichen Debatten über Populismus und Rechtsextremismus. Der Aufsatz liefert dazu empirische Befunde im Zeitverlauf. Die Daten sind im Zusammenhang mit Studien zum Medienvertrauen entstanden, daher enthalten sie keine Variablen zu weiteren wichtigen Konstrukten, etwa zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Aufgrund dieser Einschränkung konzentriert sich der Aufsatz auf die Aspekte des Verschwörungsglaubens und der Einstellungen zu den Medien und verbindet diese mit Befunden zur Mediennutzung. Zudem können Angaben über die Befürwortung von Gewalt in öffentlichen Auseinandersetzungen gemacht werden.

Die Entwicklung und das Profil der AfD haben Fragen nach den Informationsquellen und den medienbezogenen Einstellungen der AfD-Klientel dringlich werden lassen. Zwar hat das Schüren von Ängsten vor einer „Überfremdung“ und „Islamisierung“ des Landes das radikaler werdende Profil der AfD geprägt. Die Partei macht aber auch Stimmung gegen den „Mainstream“ und meint damit unter anderem die Medien; Ressentiments gegen etablierte Akteure gehörten in den vergangenen Jahren zu den Motiven vieler AfD-Wähler*innen (Bieber/Roßteutscher/Scherer 2018). Die Rhetorik des „Wir gegen andere (Fremde)“ wird durch ein „Wir (hier unten) gegen die da oben“ ergänzt (Zick/Krause/Küpper 2016: 114). So entstehen themenübergreifende, gegen Eliten und das System gerichtete Widerstandsnarrative, die in Kampfbegriffen wie „Systemparteien“ und „Lügenpresse“ gipfeln. Ob es um Geflüchtete geht oder um Corona, den etablierten Medien wird genauso misstraut wie der Regierung. Dabei können auch Verschwörungserzählungen eine Rolle spielen. EinigeMedien – „alternative“ Medien oder Boulevardangebote – verbreiten populistische und verschwörungsideologische Inhalte, sodass die Mediennutzung zum Faktor für Radikalisierungsprozesse werden kann (Müller/Schulz 2019).

Der Beitrag analysiert vor diesem Hintergrund im Zeitverlauf von vier Jahren die Mediennutzung und die medienbezogenen Einstellungen von Bürger*innen mit AfD-Wahlpräferenz, das Ausmaß ihres Verschwörungsglaubens und die Haltung zu Gewalt in politischen Auseinandersetzungen. Als Grundlage dienen vier Datensätze aus den Jahren 2016 bis 2019, in denen in repräsentativen Stichproben die Bürger*innen in Deutschland befragt wurden. Auch wenn es sich nicht um Paneldaten handelt, können die Ergebnisse Hinweise auf Radikalisierungsprozesse geben und mögliche Veränderungen in der AfD-Klientel aufzeigen.

2 Radikalisierung durch Medien und Radikalisierung gegen Medien

Nachdem sich die Radikalisierungsforschung lange Zeit auf dschihadistische Gruppierungen konzentriert hat, wendet sie sich in jüngerer Zeit (wieder) verstärkt rechtsextremistischen Akteuren zu (Quent 2019; Daase/Deitelhoff/Junk 2019). Um dabei den Blick nicht auf Gewalttäter zu verengen, erscheint ein weites Verständnis von Radikalisierung hilfreich: „Radikalisierung als die zunehmende Infragestellung der Legitimation einer normativen Ordnung und/oder die zunehmende Bereitschaft, die institutionelle Struktur dieser Ordnung zu bekämpfen“ (Gaspar et al. 2019: 20).

Radikalisierung ist ein Prozess, „der zu einer extremen Polarisierung von Gefü hlen, Überzeugungen und Verhaltensweisen fü hrt“ (Zick/Böckler, 2015: 7). Studien zeigen, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Einstellungsmuster mit Militanz im Sinne einer erhöhten Gewaltbereitschaft einhergeht (Zick/Berghan/Mokros 2019: 101 f.). Radikalisierte Akteure können Gewalt auch billigen oder befeuern, ohne (selbst) aktiv zu werden.

Die Rolle der Medien bleibt in Studien zur Radikalisierung oft unterbelichtet. In einem einflussreichen Beitrag von McCauley und Moskalenko (2008), in dem sie zwölf Mechanismen politischer Radikalisierung identifizieren, taucht sie nicht auf. Andere haben Internet-Communities und Propaganda-Medien thematisiert, wie die Publikationen des IS oder den Rechtsrock (Dornbusch/Raabe 2002). Will man die Analyse nicht auf die möglichen Endpunkte einer Radikalisierung und damit auf Gewalttäter und Terroristen beschränken, sondern ein „konzentrisches Eskalationskontinuum“ (Heitmeyer/Freiheit/Sitzer 2020: 58–89) betrachten, ist es notwendig, Radikalisierungsprozesse in der Breite der Bevölkerung und dabei auch die Mediennutzung und das Verhältnis zu Nachrichtenangeboten zu untersuchen (Benkler/Faris/Roberts 2018; Stier et al. 2020).

Zum einen können manche Inhalte zu einer (weiteren) Radikalisierung beitragen. Radikalisierung kann also durch („alternative“, radikale) Medien erfolgen oder von diesen gefördert werden. Zum anderen sind eine spezifische Mediennutzung und bestimmte, auf die Medien bezogene Einstellungen selbst Merkmal und Ausdruck einer radikalen Haltung. Im Sinne der Definition ist diese darauf ausgerichtet, eine normative Ordnung und ihre Institutionen – hier: die Medienordnung der Demokratie und die Strukturen einer liberalen Öffentlichkeit – infrage zu stellen und zu bekämpfen. Eine solche Radikalisierung gegen (etablierte) Medien drückt sich zum Beispiel in einer Verweigerung der Nutzung aus und gipfelt in Kampfbegriffen wie „Lügenpresse“ oder „Systemmedien“ (Lilienthal/Neverla 2017; Kleinert 2018: 103 f.). In solchen Begriffen drückt sich mehr aus als nur Kritik. Es handelt sich um eine Haltung, die als „Medienzynismus“ bezeichnet werden kann ( Jackob et al. 2019; Schultz et al. 2020; Brants 2013): Den Journalist*innen werden niedere Motive unterstellt, sie werden als manipulativ und verlogen dargestellt. Diese Unterstellung geht deutlich weiter als eine aus demokratietheoretischer Sicht sogar wünschenswerte Haltung der Skepsis, die kritisch bleibt, weil Fehler und Fehlverhalten nirgends ausgeschlossen sind und weil auch grundsätzliche Fragen zur Medienordnung und zu etwaigen strukturellen Defiziten der Berichterstattung in der Öffentlichkeit reflektiert und diskutiert werden sollten. Der Medienzynismus mündet jedoch in pauschalen Vorwürfen; die Medien werden sogar zu „Feinden des Volkes“ erklärt (Acosta 2019), weshalb in der Forschung auch von „Medienfeindlichkeit“ die Rede ist (Schindler et al. 2018). Wir ziehen hier, angelehnt an frühere Arbeiten, den Begriff „Zynismus“ vor, weil er hilft, den Kontrast zu vernünftiger Skepsis zu betonen. Mit „Medienzynismus“ ist in diesem Kontext also keine Eigenschaft der Berichterstattung gemeint, sondern die Einstellung von Menschen, die den etablierten Medien in pauschaler Form niedere Motive unterstellen und von ihnen Übles erwarten ( Jackob et al. 2019: 19–25).

Der Medienzynismus ist Folge und Ausdruck einer bereits erfolgten Radikalisierung, kann zugleich aber einer ihrer Treiber sein. Die durch ihn verbreiteten Vorwürfe können wie „Brückennarrative“ wirken (Meiering et al. 2019): Sie verbinden unterschiedliche Themen, (wie die Migrationspolitik und die Corona-Krise) und stellen einen Zusammenhang her, der darauf abzielt, die (mediale) normative Ordnung zu diskreditieren. Rechtspopulistische und rechtsextremistische Medienzyniker*innen stilisieren sich zu Kämpfern gegen eine vermeintliche Meinungsdiktatur (Häusler 2016b: 157–159; Häusler/Küpper 2019).

Im Medienzynismus sind Verschwörungserzählungen angelegt: Journalist*innen werden als Kollaborateure oder Marionetten dunkler Mächte betrachtet und die Berichterstattung als Komplott zwischen Medien und Politik dargestellt (Rees/Lamberty 2019). Plausibel erscheint auch eine Verbindung zwischen Mediennutzung und Verschwörungsglaube. Während bestimmte „alternative“ Medien Verschwörungserzählungen verbreiten, finden diese bei etablierten Informationsmedien kaum (positive) Resonanz. Für die Verbreitung und Akzeptanz von Verschwörungserzählungen sind mediale Angebote also ein wichtiger Faktor (Schemer et al. 2020).

Sowohl bei der Mediennutzung als auch bei den medienbezogenen Einstellungen und dem Verschwörungsglauben geht es um den epistemischen Hintergrund aktueller extremistischer Entwicklungen. Neumann spricht in diesem Kontext von „kognitiven Extremisten“ (Neumann 2013). Zu befürchten ist, dass es nicht bei Ideen und Worten bleibt, sondern Taten folgen und zumindest einige dieser Extremisten Gewalt unterstützen oder selbst anwenden.

Internationale Studien haben einen Zusammenhang zwischen Verschwörungsglauben und Extremismus gefunden (van Prooijen/Krouwel/Pollet 2015; Krouwel et al. 2017). Darüber wird auch in Deutschland diskutiert, zumal das Thema in der Corona-Krise eine größere Rolle spielte (Nocun/Lamberty 2020: 252–273). Speziell für die AfD und ihre Anhänger*innen ist eine Neigung zum Verschwörungsglauben erkannt worden (Pfahl-Traughber 2019: 16f.; Roose 2020). Insgesamt ist in der Bevölkerung ein Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auffällig (Rees/Lamberty 2019). Die „Verschwörungsmentalität“ ist ein generalisiertes Einstellungsmuster (Imhoff/Bruder 2014; Butter/Knight 2020), sie kann als Element eines „autoritären Syndroms“ betrachtet werden (Decker/Schuler/Brähler 2018). Eine Verbindung mit höherer Gewaltbereitschaft wird ebenfalls diskutiert (Bartlett/Miller 2010).

Medienzynismus und Verschwörungsglaube fordern die Gesellschaft heraus, weil sie die normative und epistemische Ordnung einer auf Vernunft und zivilen Diskurs angewiesenen demokratischen Öffentlichkeit untergraben. Ein ausgeprägter Verschwörungsglaube kann mit einer spezifischen Mediennutzung einhergehen (Hollander 2018). Dabei spielen „alternative“ Medien eine Rolle, die sich gegen offizielle Darstellungen und herrschende Meinungen richten. Solche Medien „position themselves as correctives of the mainstream news media, as expressed in editorial agendas or statements and/or are perceived as such by their audiences or third-parties“ (Holt/Figenschou/Frischlich 2019: 860). Unter diese Kategorie können auch linke und nicht-radikale Medien fallen, im Zusammenhang mit dem Rechtspopulismus und Rechtsextremismus stehen jedoch Angebote vor Augen, in denen entsprechende Positionen propagiert werden (Bachl 2018). Außer einschlägigen Publikationen wie der Jungen Freiheit, Compact oder RT Deutsch können digitale Plattformen wie YouTube und Facebook eine wichtige Rolle spielen, weil dort viele Quellen zu finden sind, die sich vom Selbstverständnis her gegen einen behaupteten Mainstream wenden. Studien zeigen, dass Social-Media-Plattformen und alternative Medien an der Verbreitung von falschen Informationen und Verschwörungserzählungen beteiligt sind (Benkler/Faris/Roberts 2018; Vosoughi/Roy/Aral 2018).

Menschen, die einer bestimmten Verschwörungserzählung glauben, sind oft noch für weitere solcher Erzählungen empfänglich (Wood/Douglas/Sutton 2012). Daher ist es naheliegend, dass der Medienzynismus, der ein Komplott zwischen Politik und Medien unterstellt, mit weiteren Narrativen verbunden ist. Wird den etablierten Medien die Legitimität abgesprochen, stehen Tür und Tor offen für diverse Abweichungen vom behaupteten Mainstream. So bringt die Radikalisierung „kognitive Extremisten“ hervor (Neumann 2013).

Daten und Analysen zu Ausmaß und Entwicklung dieses kognitiven Extremismus fügen der Radikalisierungsforschung eine kommunikationswissenschaftliche Komponente hinzu. Im deutschen Kontext sind dafür Analysen zur AfD besonders relevant. Deren Entwicklung lässt vermuten, dass sie ein organisatorisches Zentrum für den kognitiven (Rechts‐)Extremismus bildet. Offen erscheint, ob sich die AfD-Klientel im Laufe der Jahre, in denen die Partei populärer wurde, in dieser Hinsicht weiter radikalisiert hat. Im vorliegenden Aufsatz konzentrieren wir uns auf die Rolle der Medien und medienbezogener Einstellungen: Als Anzeichen für eine Radikalisierung betrachten wir die Existenz und die Zunahme medienzynischer und verschwörungsideologischer Einstellungen, die (zunehmende) Abkehr von etablierten Medien sowie das (erhöhte) Tolerieren oder Befürworten von Gewalt.

Zwischen 2014 und 2019 fanden Zick et al. eine Stabilisierung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Einstellungen in der Gesamtbevölkerung (Küpper/Krause/Zick 2019; Zick/Berghan/Mokros 2019). Medienbezogene Einstellungen wurden dort nicht untersucht. Speziell mit Blick auf AfD-Sympathisant*innen fanden Hövermann und Groß (2016) einen Anstieg gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit; starke Zuwächse habe es zwischen 2014 und 2016 bei Fremdenfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit und der Abwertung asylsuchender Menschen gegeben.

Die Parlamentarisierung der AfD und das Erschließen weiterer Wählerschichten könnten in den folgenden Jahren zu einer Mäßigung in der Breite geführt haben. Gegen diese Annahme sprechen allerdings eine seit 2016 zunächst fortschreitende parteiinterne Radikalisierung sowie die vielfach diskutierte Normalisierung rechtspopulistischer und –extremistischer Positionen (Heitmeyer/Freiheit/Sitzer 2020).

Daten der vergangenen Jahre zeigen, dass rechtsextreme Einstellungen bei AfD-Sympathisant*innen stärker verbreitet sind als bei anderen (Küpper/Krause/Zick 2019: 137–139; Vehrkamp/Merkel 2020: 18f.). Zwar wurden im Jahr 2020 Anzeichen für eine Trendwende im Meinungsklima und für einen Rückgang populistischer Einstellungen in der Bevölkerung vermeldet, zugleich aber betont, dass die Gefahr durch die verbleibenden Populisten steige, weil sich diese weiter radikalisierten (Vehrkamp/Merkel 2020).

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Sie möchten gerne weiterlesen? Dieser Beitrag ist in dem Heft 1-2021 der ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung erschienen.

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